Die stirnseitig aufgenommene Schwarzweißfotografie einer Turmförderanlage. Auf der nächsten Abbildung sieht man dasselbe Objekt in einer Übereckansicht, 45 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Das folgende Bild zeigt die Förderanlage in einer Frontalen von der Seite. Und nach acht Fotoaufnahmen hat der Betrachter der Abbildungen den Bau optisch umschritten.
Am 31. März 1973 wurde die Zeche Hannibal in Bochum-Hofstede stillgelegt. Einige Tage später begannen Bernd und Hilla Becher damit, das Bochumer Steinkohlenbergwerk fotografisch zu dokumentieren. Der Fotoband "Zeche Hannibal" zeigt auf 124 Seiten 110 Tafeln mit 170 Schwarzweißabbildungen. Im ersten Teil der Publikation werden die einzelnen architektonischen Objekte der Anlage wie die Maschinenhalle, das Sägewerk, der Kokskohlenturm oder die Trafostation visuell erläutert. Die Bechers zeigen die Gebäude in verschiedenen Ansichten. En face, übereck und von der Seite aufgenommen. Den Abschluß findet dieser Abschnitt mit einer Gesamtbetrachtung der Anlage von zehn verschiedenen Standpunkten aus. Im zweiten Teil werden die Aufnahmen zu jedem einzelnen Gebäude auf einer Tafel zusammengefasst. Auf einen Blick ist das jeweilige Bauteil der Zeche von allen Seiten wahrnehmbar.
Seit vier Jahrzehnten fotografieren Bernd und Hilla Becher Fabrikarchitektur, Förder- und Wassertürme oder Siegerländer Fachwerkhäuser. Dabei verwenden sie normativ fixierte Aufnahmeverfahren, um ihre Motive lesbar und vergleichbar zu machen. Sie fotografieren ihr Sujet immer von einem rechtwinklig oder exakt diagonalen Standpunkt aus, verwenden lange Brennweiten, um verfälschende Perspektivenverkürzungen zu vermeiden und belichten bei leicht bewölktem Himmel, um ausdrucksstarke Schlagschatten zu verhindern. Die Bilder gewinnen ihre Bedeutung in der Serie. Ziel ihrer Arbeit ist die Sammlung typologischer Reihen, die langfristig ein vergleichendes Sehen ermöglichen.
Im Gegensatz zu "Grundformen" und "Typologien" geht es bei der Arbeit zur "Zeche Hannibal" nicht um eine typologische Einordnung der Anlage, sondern vielmehr um deren Lesbarkeit, um die Wahrnehmung des Steinkohlenbergwerks und seiner einzelnen baulichen Funktionen. Am Anfang des Buches erläutern Susanne Lange und Els Barents in einem einleitenden Text das fotografische Projekt "Zeche Hannibal" und Rudi Fuchs äußert sich in einem Beitrag zum künstlerischen Schaffen von Bernd und Hilla Becher. "Zeche Hannibal" ist ein Zeitdokument im Kontext der Bildenden Kunst. Die zeitlose Darstellung einer längst verschwundenen Industrieanlage. "--Stefan Meyer"